Lesen Leute mit Lese-Schwäche Zeitungen?
Jede sechste erwerbstätige Person in der Schweiz hat Mühe mit Lesen und Schreiben.
Hast du Mühe, Texte zu schreiben oder zu verstehen? Brauchst du deshalb oft Hilfe, um deinen Alltag zu bewältigen? Schreibst du oft auf Schweizerdeutsch oder hast andere Strategien gefunden, um damit umzugehen? Du bist nicht allein: Rund 800’000 Erwerbstätige haben Mühe mit Lesen und Schreiben. Unsere Expertin, Elisabeth Zellweger, beantwortet deine Fragen zum Thema Lese- und Schreibschwäche.
Corinne, 29
Aus der All-Studie wissen wir, dass ca zehn Prozent der Menschen, die hier in die Schule gegangen sind, dadrunter leiden. Da kaum ein Mensch über diese Schwäche redet, weil jeder davon ausgeht, dass man Lesen und Schreiben kann, wenn man in der Schweiz in die Schule gegangen ist, ist die Schwäche enorm tabu. Das wiederum hat zur Folgen, dass die Menschen sich enorm schämen. Sie finden Ausreden, die ihnen helfen, den Alltag zu bewältigen, ohne aufzufallen. Gleichzeitig leben sie aber immer mit dem Stress und der Angst «entdeckt» zu werden.
Fritz, 69
Hallo Fritz, erblich in dem Sinn, dass Kinder, deren Eltern mit ihnen nicht Bücher gelesen oder Reime geübt haben, ziemlich sicher schon mit einem Defizit in die Schule eintreten.
Drizzt, 30
Hallo Drizzt. In den Kursen, die spezialisiert auf Lesen und Schreiben bei deutschsprachigen Erwachsenen sind, werden die Teilnehmenden individuell betreut. Je nach Problem sollte eine Person also an der Rechtschreibung und/oder am Leseverständnis arbeiten können. Selbstverständlich ist das ein ganz wichtiges Thema.
Noemie, 20
Liebe Noemie, Legasthenie kann man nicht einfach so «diagnostizieren». Dazu gehören andere Kriterien, die sich eine Fachperson mit dir anschauen müsste. Für dich ist sicher hilfreich, wenn du kurze Sätze bildest. Versuche die Sätze nicht ineinander zu verschachtel. Schliesse einen Gedanken mit einem Punkt ab und widme dich dann dem nächsten Gedanken. Für dich wäre es hilfreich, wenn du dir vor dem Schreiben das, was du schreiben willst, in Stichworten aufschreibst. Dann kannst du die Stichworte strukturieren, bevor du mit dem Schreiben loslegst. Es gibt gute Übungen zu dem Thema. In einem Lese- und Schreibkurs kannst du genau das üben und gleichzeitig noch lernen, wann man was gross oder klein schreibt.
Angela, 30
Liebe Angela, gut, dass du fragst. Wenn man sehr langsam liest, macht es natürlich auch nicht so viel Spass. Dann liest man dementsprechend wenig und kann sich nicht verbessern. Es gibt Lesestrategien, mit denen man lernen kann, flüssiger zu lesen. Dein Freund muss es aber selber wollen und einen Sinn für sich darin erkennen. Im Lesen und Schreiben kann man sich nur verbessern, wenn man selber will, das ist ganz wichtig! Und dann ist es natürlich auch extrem wichtig, dass er vor sich selber und allenfalls auch anderen gegenüber zugeben kann, dass ihm das Lesen Mühe bereitet. Das ist meiner Erfahrung nach oft ein wirklich schwieriger Schritt und benötigt eine sehr vertrauensvolle Atmosphäre. Ausgelacht oder unterbrochen zu werden, ist sehr schmerzhaft und weckt Erinnerungen an negative Schulerlebnisse. Vielleicht kannst du deinen Freund ermutigen, einen Lese- und Schreibkurs zu besuchen. Dort kann er in geschütztem Rahmen und zusammen mit anderen, denen es gleich geht, das Lesen üben.
Jesse, 26
Hallo Jesse, danke für deine Frage. Tatsächlich ist korrekt schreiben zu können heutzutage in fast allen Berufen extrem wichtig. Und dabei meine ich nicht nur die Rechtschreibung, sondern auch die Fähigkeit, sich gut auszudrücken und Sätze zu formulieren. Es ist enorm wichtig, dass das Thema enstigmatisiert und enttabuisiert wird. Zu viele Menschen verstecken sich hinter Ausreden, anstatt ihre Schwäche sich selber oder anderen gegenüber zuzugeben. Mit Rücksicht auf das Schamgefühl dieser Menschen macht es aber keinen Sinn, sie direkt damit zu konfrontieren. Besser ist, wenn du z.B. über deine eigenen Unsicherheiten beim Schreiben sprichst, wenn du zeigst, dass Lesen und Schreiben komplexe Fähigkeiten sind, die nicht einfach zu lernen sind, und wenn du darauf aufmerksam machst, dass es Angebote gibt, in denen man das lernen kann. Wenn du auf 0800 47 47 47 anrufst, können sie dir Flyer schicken, die dir noch mehr Antworten auf deine Fragen geben.
Anna, 40
Liebe Anna, der Verein Lesen und Schreiben Aargau bietet sehr günstige Kurse an, dort kannst du dich sicher mal melden. Wenn die Finanzierung trotzdem ein Problem ist, frag nach dem Fond – allenfalls ergibt sich über den eine Möglichkeit. Du kannst im Internet natürlich auch selber auf Lernplattformen lernen, da bietet z.B. die Volkshochschule in Deutschland eine gute Plattform an. Das ist aber trotzdem schwieriger, als einen Kurs zu besuchen.
Antonietta, 47
In Aarau gibt es den Verein Lesen und Schreiben Aargau, die Kontaktdaten findest du online. Dort gibt es verschiedene Kurse. Ruf doch einfach an, dann erfährst du mehr.
Res, 46
Lieber Res, oh weh. Ja, das erzählen leider sehr viele Menschen, die von einer Lese- und Schreibschwäche betroffen sind. Ein «Zusammenschiss» ist kontraproduktiv und demotivierend. Es wäre wünschenswert, dass Lehrpersonen andere Wege finden, Kinder zum Lesen zu motivieren. Ich hoffe, dass du den Lehrer hinter dir gelassen hast und das Lesen trotzdem für dich entdeckt hast – es kann nämlich unglaublich viel Spass machen!
Selemi, 15
Hallo Selemi, grundsätzlich ja. Unter anderem weil sich das Bild von einem Wort einprägt und dadurch beim Schreiben wiedererkannt wird. Und natürlich erweitert sich auch der Wortschatz, wenn man viel liest, und die Formulierungsfähigkeit vergrössert sich. Lesen ist also sicher gut. Es gibt aber auch immer wieder Menschen, die unproblematisch lesen können (und dies auch tun), aber trotzdem viele Rechtschreibefehler machen. Dann ist die Abklärung einer Legasthenie allenfalls sinnvoll, denn oft kann ein Nachteilsausgleich beansprucht werden. Ansonsten würde ich dir empfehlen viel mehr zu schreiben.
Jane
Hallo Jane. Super, dass du täglich mit deinem Sohn liest, das hilft. Für Kinder bin ich keine Spezialistin. Bitte wende dich an eine Person mit heilpädagogischem Hintergrund.
Regina, 33
Liebe Regina, du möchtest jetzt hoffentlich nicht wirklich einen neurologischen Vortrag von mir, oder? Tatsächlich hat das Verdrehen von Buchstaben nichts mit Intelligenz zu tun. Wenn eine Legasthenie vorliegt, gehen Experten sogar von besonderen Fähigkeiten aus. Es gibt ein interessantes Buch dazu, «Legasthenie als Talentsignal». Es ist nicht ganz neu, aber spannend.
Christa, 52
Liebe Christa – SEHR VIELE!
Maria, 31
Liebe Maria, da sprichst du ein wichtiges Thema an. Wenn man in der eingenen Muttersprache ein Lese- und Schreibproblem hat, dann ist es natürlich doppelt so schwer, eine neue Sprach zu erlernen. Wenn dein Sprachniveau in Deutsch hoch ist (B2 und besser,) dann kannst du in einem Lese- Schreibkurs für deutschsprachige Erwachsene gute Fortschritte erzielen. Auch dafür empfehle ich dir wieder die Hotline 0800 47 47 47.
Nicolle
Liebe Nicolle, du scheinst dich sehr für deinen Sohn zu engagieren, das ist toll. Macht er denn auch mit und ist selber motiviert? Ihr habt offensichtlich die schulischen Möglichkeiten ausgeschöpft. Habt ihr schon über private Lernhilfen nachgedacht? Was will dein Sohn? Habt ihr mit der Schule über einen Nachteilsausgleich gesprochen – dass also die Leseschwäche z.B. in anderen Fächern berücksichtigt wird, indem er mehr Zeit für eine Arbeit bekommt? Schade wäre, wenn er wegen seiner Schwäche in allen Fächern abhängt, denn bestimmt hat er in anderen Gebieten grosse Stärken.
Katja, 29
Die Lese und Schreibkurse für deutschsprachige Erwachsene sind in den meisten Kanton stark subventioniert und dadurch schon sehr günstig. Wenn du beim RAV, beim Sozialdienst oder bei der IV angemeldet bist, kannst du dort zusätzlich um Finanzierung anfragen. Je nachdem bezahlt man dir den Kurs ganz oder teilweise. Wenn du nirgends angemeldet bist und dir einen Kurs trotz Verdienst nicht leisten kannst, gibt es einen Fond, der dich bei der Finanzierung entlasten kann. Wende ich diesbezüglich an einen Kursanbieter für Lesen und Schreiben in deiner Region oder ruf 0800 47 47 47 an. Dort wird man dich weitervermitteln können.
Oliver, 45
Lieber Oliver, das Word-Textprogramm ist schon mal nicht schlecht. Die Fehler werden dir rot oder blau sichtbar gemacht. Das Programm hat zwar manchmal Mühe mit z.B. zusammengesetzten Wörtern, aber für den Alltagsgebrauch sollte das genügen. Einzelne Wörter musst du dann vielleicht noch im Google-Duden suchen, das mache ich auch, wenn ich unsicher bin. Leider kenne ich kein anderes Programm.
Nina, 22
Hier stellen sich mehrere Fragen: Wenn du schon in der Schulzeit Legasthenie hattest, welche Unterstützung hast du da bekommen? Hattest du einen Nachteilsausgleich? Und hast du danach noch etwas für dich gemacht? An deiner Stelle würde ich zweigleisig fahren: Einerseits macht es Sinn, dass eine Fachperson (häufig ein Arzt) bestätigt, dass du Legasthenie hast und diese Schwäche in der schulischen Ausbildung berücksichtigt wird (Nachteilsausgleich). Das wird vermutlich kein Problem sein. Gleichzeitig würde ich dir aber auch empfehlen, an deiner Schrift zu arbeiten. In einem Lese- und Schreibkurs, in dem man individuell auf dich eingehen kann, kannst du auf jeden Fall Fortschritte machen. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass sich der Weg lohnt, auch wenn er dir jetzt schwer erscheinen mag. Du kannst das lernen!
Ueli, 54
Das ist eine berechtigte Frage. Doch Menschen mit einer Lese- und Schreibschwäche können lesen und schreiben. Alle können lesen und schreiben, weil sie ja neun Jahre zur Schule gegangen sind – viele jedoch weniger gut, als es in der Gesellschaft heute erwartet wird. Und auch wenn diese Leute das Lesen und Schreiben vermeiden und diesen Chat nicht lesen, dann gibt es hoffentlich Leute wie dich, die über das Thema informiert sind und wissen, dass es Hilfsangebote gibt.
Isabel, 35
Hallo Isabel, super, dass du eine Ausbildung zur Fachfrau Gesundheit bestanden hast! In den Gesundheitsberufen muss man heutzutage tatsächlich viel lesen und schreiben. Bitte ruf doch die Hotline 0800 47 47 47 an, dort wird man dir einen Lese- und Schreibkurs vermitteln, der dir helfen wird. Für dich ist es sicher wichtig, ganz individuell in Kleingruppen lernen zu können. Es gibt Kurse, die darauf spezialisiert sind. Alles Gute!
Anja, 29
Leider kann ich dir nicht EINEN Tipp geben, liebe Anja, das schafft die deutsche Sprach leider nicht. Es gibt einen ganzen Blumenstrauss an Regeln dafür. Ein ziemlich sicherer Tipp ist aber, dass du mindestens das, was du anfassen kannst, gross schreibst, aber das ist nur ein kleiner Teil der Grammatik. Zur Gross- und Kleinschreibung und zur Kommasetzung gibt es Regeln, die du in einem Grammatikbuch nachschlagen kannst. Auch im Internet wirst du Hilfe dazu finden. Das Selbststudium ist aber nicht jedermanns oder jederfraus Sache, so dass dir vielleicht ein Lese- und Schreibkurs hilft. Dort werden dir diese Grundlagen der Gross- und Kleinschreibung, sowie der Kommasetzung von einer Fachperson auf eine einfach Art und Weise vermittelt. Ziemlich sicher findest du dort Antworten auf deine Fragen und gewinnst schnell an Sicherheit.